1. Der Herr vergoss Blut bei der Beschneidung
Ich bin nicht allein – sondern ein lebendiges Glied des Leibes Christi, der Kirche!
Liebe Brüder und Schwestern, wie passt das zusammen: Blut Christi und Schlagworte? Keine Angst, wir wollen hier niemanden erschlagen, aber wir wollen einer gewissen „Betriebsblindheit“ – zunächst bei uns selber – entgegenwirken. Es soll uns bewusst aufrütteln helfen unseren gewöhnlichen Alltag zu bewältigen und nicht nur schöne Andachten für andere zu gestalten. Wir wollen versuchen die Betrachtungen zum Blut-Christi-Weg noch stärker als bisher unter die Frage zu stellen: „Wie kann ich daraus leben?“
Wie kann ich meine inneren und äußeren Konflikte dadurch beeinflussen, sie vermeiden oder wieder zum Frieden hinlenken? Darum geht es dieses Mal. Und ich möchte einfach zu jeder dieser klassischen „Sieben Blutvergießungen“ einige praktische Anregungen geben, denn in diesen symbolhaften Blutvergießungen Jesu finden sich die Hauptthemen unseres geistlichen Bildungsprogrammes. Die Grund-Themen möchte ich in einer ganz einfachen Weise darstellen und eben zu Schlagworten machen, also zu Wörtern, mit denen man wirklich „schlagen“ kann. Natürlich nicht um jemanden zu erschlagen, sondern um schlagfertig zu sein :-). Denn man muss ab und zu auch etwas durchschlagen können, um zu siegen und um etwas zu bestehen. Wir wollen also mit echter Schlagfertigkeit die Versuchungen, die Oberflächlichkeiten, die Abhängigkeiten, die unguten Gewohnheiten „abschlagen“, damit wir in die Tiefe gelangen können, in die Tiefe dieser geistlichen Quellen.
Heute möchte ich einleitend gleich mit dem ersten Thema beginnen, nämlich: „Jesus vergoss sein Blut bei der Beschneidung“. Das entsprechende Schlagwort dazu heißt: Ich bin nicht allein! Was hat das miteinander zu tun – die Beschneidung Jesu und die Überwindung unserer Einsamkeit? Wir wissen, dass der Ritus der Beschneidung ein uralter Brauch ist. Durch Abraham wurde er zum Zeichen des Bundes und der Zugehörigkeit zum Volke Israel. Und dadurch hat er eine ganz besondere Bedeutung gewonnen, die immer sehr stark verteidigt wurde und bis heute verteidigt wird – nicht nur bei den Israeliten, sondern auch bei all jenen, die sich ebenfalls auf Abraham berufen. Wir sind – Gott sei Dank – im Neuen Testament angekommen und da hat die Beschneidung in der Taufe ihre volle Bedeutung gewonnen durch die Zeichen von „Wasser und dem Heiligen Geist“.
Das ist die Vollendung des Alten Bundes – seine Fülle, in gewissem Sinne auch seine Überholung und sein Ende. Jesus selbst hat diese Brücke geschlagen: Er, der eigentlich diesen Bund persönlich nicht brauchte, weil er ja in voller Einheit mit dem Himmlischen Vater war – er hat trotzdem dieses Zeichen angenommen und sich so ganz eins-gemacht mit seinem Volk. Wenn wir also weiterhin betrachten: „Der Herr vergoss Blut bei der Beschneidung“, dann tun wir das, um uns auch diese tiefe Bedeutung, die Symbolik bewusst zu machen, die darin enthalten ist. Wir sind also Gottes Verbündete. Ich will immer wieder daran denken: Gott hat mit mir in der Taufe ganz persönlich einen Bund geschlossen! Ich bin also nicht allein!
Diese Tatsache des Verbündet-seins kann uns auch immer wieder neu Mut machen. Vor kurzem lag ich morgens etwas verzagt im Bett: wieder ein neuer Tag, eine neue Herausforderung, viele Leute, nicht ausgeschlafen, irgendwie müde…! Da hat mich genau dieser Gedanke gerettet: Ich bin nicht allein! Da konnte ich in Ruhe aufstehen und den Tag beginnen. Er ist auch gut zu Ende gegangen, weil ich gar nicht versucht habe, ihn allein zu meistern. Und das ist es, was ich auch jedem von euch ans Herz legen möchte: Nicht einsam „herumwurschteln“ und so immer wieder die eigene Schwäche erleben und sich dabei auch immer wieder mutlos machen lassen. Ich bin nicht allein! Ich habe den besten Partner, den man sich vorstellen kann. Er steht hinter mir, er lebt in mir, er gibt mir Kraft, er hilft mir und verteidigt mich! Ich kann ganz ruhig sein. Es wird gut werden, selbst wenn es mal ganz anders kommt, als ich es mir vorgestellt und zurechtgelegt oder gewünscht habe.
Menschen können mich befeinden, sie können mich angreifen, ungerecht behandeln… Ich bin nicht allein! Da gibt es einen, der mich nicht nur geschaffen hat, sondern der auch bei mir ist und mit mir durch jede Nacht und Dunkelheit und durch jede Verworrenheit hindurchgeht und mich nicht verlässt. Ich bin nicht allein: weder bei einem Examen, noch im Krankenhaus, noch irgendwo in einem Konflikt an der Arbeitsstelle oder wo auch immer… Man kommt sich vielleicht manchmal verlassen vor – sogar in der eigenen Familie kann es passieren, dass es eine gewisse Einsamkeit gibt. Es ist wichtig, dass man sich dann selber sagt: Ich bin nicht allein! Wenn alle Menschen mich verlassen und verraten, schäbig behandeln, verfolgen… – ich bin nicht allein! Und ER weiß, was Er mir zumuten kann. So viel wie Gott mir zumutet, kann ich auch schaffen – mit seiner Hilfe! Und wenn er mir zumutet, dass ich schwierige Situationen durchmache, dann steht er dahinter. Ich kann mich darauf verlassen, dass es zu meinem Nutzen ist, zu meinem Vorteil, zu meiner Entfaltung, zu meiner Reife, auch wenn ich lernen muss, mit Niederlagen umzugehen…
Gott ist der Treue, der zu mir hält und mir gegenüber viel treuer ist, als ich ihm gegenüber. Und diese Treue hat er uns zugesichert – durch dieses Bundeszeichen der Beschneidung, das durch Jesus dann in einer neuen Form, nämlich als Taufe, besser in alle Welt hineinpasst. Dieser Urgedanke, dass Gott mit uns einen Bund stiftet und sein Ja zu uns sagt, der ist aber derselbe geblieben.
Wer immer wieder bedenkt, dass er ja nicht alleine ist, weil er mit Gott einen Bund geschlossen hat, der kommt schrittweise dazu, in der Gegenwart Gottes zu leben. Das bedeutet nicht, dass man nur einmal beim Morgengebet an Gott denkt und dann erst beim Abendgebet wieder. Es geht vielmehr um ein Leben in der ständigen Gegenwart Gottes – auch wenn man verstandesmäßig nicht immer an Gott denkt. Ein kleines Kind z. B. lebt in der Gegenwart der Mama, auch wenn es einmal irgendwohin einen kleinen Ausflug macht, aber dann gleich wieder zurück zur Mama läuft, um sich zu vergewissern, sie ist noch da. Auch ein Kind im Sandkasten kann sich ganz vertiefen ins Burgenbauen, wenn die Mama dort ein paar Meter weiter auf der Bank sitzt und einen Strumpf strickt. Das Kind lebt immer in der Gegenwart der Mama – unterbewusst. Und so dürfen und sollen auch wir in der Gegenwart Gottes leben. Wir können uns durchaus auf unser „Burgenbauen“ konzentrieren, etwa z. B. aufs Autofahren oder aufs Vorbereiten von Examen… die Torte muss gelingen, sonst gibt´s eine Blamage… Ja, man muss sich darauf konzentrieren. Und doch kann man dabei in der Gegenwart Gottes leben.
Durch die Beschneidung und dann durch die Taufe werden die Menschen nicht nur einzeln mit Gott verbunden, sondern gleichzeitig auch in das ganze Volk Gottes hineingenommen. Wir werden also durch die Taufe in den lebendigen Leib Christi, in die Kirche, aufgenommen. Das Bewusstsein, Glied am Leibe Christi zu sein, also verbunden mit Christus als dem Haupt, das ist doch etwas ganz Wunderbares, was mir immer wieder Ruhe geben kann, ja eine gewisse innere Sicherheit. Jesus Christus ist mein Haupt – ER leitet mich, ER kümmert sich um mich! Wie viele einsame Leute gibt es doch, die wirklich trübselig dahinleiden an ihrer Einsamkeit. Wenn sie doch wüssten, dass sie nicht alleine sind, jedenfalls nicht alleine sein müssen, dass diese Zweisamkeit mit Gott, mit Jesus doch so viel bedeuten kann! Sie bedeutet doch auch eine universelle Gemeinschaft mit der ganzen Kirche. Diese Kirche betrifft aber nicht nur jene Getauften, die gerade auf dieser Welt leben, sondern Kirche ist immer gleichzeitig auch die „triumphierende Kirche“ im Himmel, die „leidende Kirche“ im Fegfeuer und die „kämpfende Kirche“ auf dieser Erde. Diese Gesamtheit gehört zu Jesus Christus und bildet mit ihm einen Leib. Das ist also das Wichtigste, das ich heute zu Beginn dieser Exerzitien als Auftakt-Thema betonen möchte: Niemand von uns ist allein! Und wir wollen ganz bewusst aus dieser Gemeinschaft mit Gott heraus diese Tage beginnen und uns für den Heiligen Geist öffnen, so dass diese Tage auch eine echte Bundeserneuerung werden.
Zusammenfassung
Die Beschneidung – ein Bundeszeichen
Mit Gott verbündet – lieben lernen!
Neuer Bund – Neues Gebot: „…wie ich euch geliebt
habe“
Berufung zur Freundschaft mit Gott – deine Freuden
und Leiden = meine Freuden und Leiden
Bundestreue – Krönung der Liebe
Gebet
Lieber Vater im Himmel, wir danken dir für deine wunderbare Schöpfung und noch mehr für deine unendliche Geduld mit uns Menschen. Du hast uns Freiheit geschenkt, damit wir so lieben lernen wie du liebst. Du möchtest, dass wir fähig werden, im Himmel am Leben deiner dreifaltigen Liebe voll teilzunehmen. Obwohl unsere Stammeltern und Vorfahren so oft den Bund mit dir verraten haben, hast du uns nie aufgegeben, sondern immer wieder einen Bund mit uns Menschen geschlossen.
Jesus, du hast dich in Demut und Gehorsam beschneiden lassen und so den Bund mit Abraham bestätigt. Durch dein am Kreuz vergossenes Blut wurde er in deiner Auferstehung zum Neuen Bund. Durch das Sakrament der Taufe nehmen wir nicht nur daran Teil – darüber hinaus werden wir sogar ein Leib mit dir, dem Sohn Gottes und unserem Heiland…
Gott, Heiliger Geist, du machst uns fähig, schon hier auf der Erde den Willen Gottes zu erkennen, anzunehmen und so mit Gott eins zu werden. Wir danken für dein Erbarmen und deine Treue zu uns in all unseren Lebenslagen. Du gibst uns Geborgenheit, Sicherheit und Hoffnung – den Beginn des wahren Glückes schon in dieser Erdenzeit…
2. Der Herr vergoss Blut beim Gebet am Ölberg
Keine Angst – das Blut Christi ist stärker!
Wir wollen jetzt mit unseren Schlagworten weiter trainieren, damit wir wirklich schlagfertig werden: Schlagfertig in den verschiedensten Herausforderungen, Situationen, Mühen, Auseinandersetzungen… oder auch Chancen unseres Lebens. Es kommt darauf an, dass wir ebenso in den Herausforderungen als Christ schlagfertig sind – nicht nur in belanglosen Diskussionen des Alltags.
Wir gehen jetzt einen Schritt weiter, entsprechend unseren klassischen Andachten von den „Sieben Blutvergießungen“. Auf dem Ölberg wollen wir lernen, die Angst zu überwinden. Wir sehen zunächst, wie der allmächtige Sohn Gottes Angst hat. Wie kann denn das nur sein?! Gott und Angst – wie passt denn das zusammen?
Da müssen wir uns zunächst fragen, ob Angst denn überhaupt etwas Schlechtes ist. Nein! Angst ist grundsätzlich in der Schöpfungsordnung vorgesehen und notwendig, so wie z. B. auch die Schwerkraft. Aber damit muss man lernen, gut umzugehen – nicht nur morgens beim Aufstehen, sondern auch überhaupt. Wie oft fällt doch ein Kind hin, bevor es sich auf den Füßen sicher bewegen kann! Und wehe, wenn die Schwerkraft gar nicht da wäre – wir hätten alle Probleme wie die Astronauten! Ähnlich ist das mit dem Schmerz allgemein und speziell mit der Angst. Wir brauchen die Angst – sie ist eine Kraft, die uns schützt. Entscheidend ist nur das richtige Maß. Man muss lernen mit der Angst gut umzugehen, dass man durch ein wenig Zuviel oder Zuwenig nicht leichtsinnig wird und sein Leben riskiert oder sich in gefährliche Situationen hineinverwickeln lässt. Man darf sich auch nicht lähmen lassen durch zu viel Angst. Zu viel Angst am Steuer, das ist eine Katastrophe, nicht nur für die Mitfahrer, sondern auch für die anderen Verkehrsteilnehmer ringsherum. Es geht hier um das richtige Maß an Mut und Vorsicht.
Nun aber sehen wir Jesus am Ölberg in einer ganz besonders tiefen Krise der Angst. Er ist erschüttert bis hin zum blutigen Angstschweiß. Der heilige Lukas schreibt, dass sein Angstschweiß „wie Blut“ war. Es geht mir jetzt nicht um physiologische Erklärungen wie rot das war, was Jesus ausschwitzte, das ist jetzt für uns unwichtig. Entscheidend ist die Tatsache, dass der Gottessohn, der Sohn des Allmächtigen, durch den die ganze Schöpfung entstanden ist, zittert und abgrundtiefe Angst hat – aber dann diese Angst besiegt und ganz ruhig und gefasst wird. Machen wir also einen Schritt weiter und schauen wir, wie Jesus mit dieser Situation fertig wird. Wir sehen zunächst, wie Jesus sehr, sehr bedrückt ist. Heute würden wir vielleicht auch sagen, dass er eine depressive Phase durchmachte – jedenfalls gibt es solche Anzeichen. DieVorahnung, die Situation der Jünger, der Verräter schon unterwegs…! Jesus weiß das und fürchtet sich als Mensch. Aber er jammert nicht. Er fleht und bittet, ja er bettelt den himmlischen Vater an und das nicht nur einmal: „Lass diesen Kelch an mir vorübergehen“!
Die Jünger schlafen. Sie sind vor Trauer niedergedrückt, von allen Ereignissen übermüdet. Jesus fordert sie auf: Jetzt ist Schluss mit dem Ausruhen, wir müssen dem Verräter entgegengehen! Sie gehen und in aller Ruhe empfängt Jesus den Judas-Kuss. Er spricht mit den Soldaten, die ihn verhaften und abführen sollen: „Wenn ihr mich sucht, dann lasst diese hier gehen.“ Er heilt das Ohr des Malchus. Er lässt sich gefangen nehmen wie ein König, der auch in die Gefangenschaft mit Würde geht. Da ist keine Spur mehr von Angst!
Wie hat Jesus seine Angst überwunden? Und seine Depressionen? Jesus betete. „Vater, nicht mein, sondern dein Wille geschehe!“ Das Vertrauen, das dahintersteht, diese Hingabe, die darin verborgen ist, das war das Entscheidende. „Nicht mein, sondern dein Wille geschehe.“ Nur dann, wenn wir ganz bewusst den Willen Gottes suchen und annehmen, werden wir stärker, werden wir ruhig. Dann kommt der innere Frieden zurück, den wir so manches Mal im Laufe des Tages in kniffligen Situationen verloren haben.
Wie aber soll man den Willen Gottes suchen? Jesus Christus nimmt teil an der Kreatur, die er selber geschaffen hat, er stellt seine kreatürlichen, menschlichen Gefühle zurück. Vater, dein Wille geschehe! Du weißt besser, was gut ist. Die Liebe soll siegen, meine Liebe, mein Vertrauen zu dir. Das ist der Schlüssel zur Überwindung jeglicher Angst. Dabei ist zu beachten, dass der Wille Gottes nur im gegenwärtigen Augenblick gelebt werden kann. Wir haben keinen Einfluss mehr auf das, was gestern war. Man kann um Entschuldigung bitten, aber man kann doch nichts mehr wirklich ändern, was passiert ist. Wir haben auch noch keinen direkten Einfluss auf die Zukunft. Man kann sich auf sie vorbereiten, man kann versuchen sich abzuschirmen, aber wir können die Zukunft nicht wesentlich ändern. Nur Gott kann wirklich eingreifen. Wir können ihn bitten, aber wir haben es nicht in der Hand, die Zukunft auf den Kopf zu stellen. Unsere Vollmacht und Aufgabe ist es, den gegenwärtigen Augenblick zu gestalten. Jetzt! Jetzt lebe ich, jetzt! Jetzt können wir mit der Hilfe Gottes stark werden und die Angst besiegen – gerade aus der Einheit mit Gott. Hier können wir über uns hinauswachsen.
Jesus gibt sich ganz hin in den Willen Gottes. Und der Engel, der mit dem Kelch der Stärkung kommt, ist das Zeichen, dass auch Jesus diese Hilfe von oben gebraucht und angenommen hat. So hat er den inneren Frieden gewonnen und damit auch die Beherrschung der Gefühle. Das ist uns als Beispiel gegeben. Wenn wir also schlagfertig werden wollen, müssen wir ganz bewusst an dieser Stelle anfangen: „Nicht mein, sondern dein Wille geschehe!“ Und darum empfehle ich in diesem Zusammenhang als Schlagwort: Keine Angst! Ich brauche keine Angst mehr zu haben. Die natürliche, die positive Furcht vor Gefahren will ich damit nicht vertreiben, aber ich brauche mich nicht mehr durch die Angst lähmen zu lassen. „Fürchtet euch nicht!“, sagen die Engel immer wieder, die als Boten Gottes dem Menschen begegnen. Fürchte also auch du dich nicht – Gott steht über allem und hat alles in der Hand. Darum können wir im Willen Gottes die Angst besiegen und das richtige Maß zwischen gebotener Vorsicht und gesunder Risikobereitschaft finden, also: Keine Angst!
Zusammenfassung
Angst ist ein Naturgesetz; sie ist sogar notwendig… bis
zu einem gewissen Grad
Angst des Gottes- und Menschen-Sohnes = Ausdruck
tiefster Erniedrigung (so klein hat sich Gott gemacht!)
Den Umgang mit der Angst muss man lernen!
(ähnlich wie Umgang mit der Schwerkraft…)
Überwindung der Angst durch Hingabe an den Willen
Gottes (wer sich dem Willen Gottes hingibt, erfährt
auch den Engel mit dem Kelch zur Stärkung)
Das Leben des gegenwärtigen Augenblicks
Friede und Gelassenheit – schlafende Jünger, Verräter-
Kuss des Judas, Gefangennahme…
Frieden bringen – die Angst besiegen!
Gebet
Lieber Vater im Himmel, du hast am Ölberg nicht physisch gelitten, wie dein Mensch gewordener göttlicher Sohn, aber auch deine göttliche Liebe nahm Teil am Leiden Jesu. Wahre Liebe kann ja nicht gleichgültig bleiben, wenn der Geliebte leidet. Aus Liebe zu dir und zu uns Menschen ist Jesus unser Bruder geworden. Zusammen mit dir hat er für uns alle die Todesangst erlitten …
Jesus, deine Angst war so groß, dass dich blutiger Schweiß bedeckte. Du verstehst jene Menschen sehr gut, die durch Veranlagung, durch schreckliche Erlebnisse in der Kindheit oder andere traumatische Erschütterungen tiefe Ängste erleiden. Erbarme dich ihrer und sei ihnen besonders nahe…
Heiliger Geist, hilf jenen, die an Ängsten leiden, dass sie ihre Not mit der Not Jesu am Ölberg vereinen können. Mögen auch diese Leiden fruchtbar werden für die Erlösung der Welt! Stehe uns allen bei im Kampf mit der Angst, damit wir durch die volle und bedingungslose Hingabe an den Willen Gottes den Sieg erringen. Liebe Gottesmutter Maria, du Braut des Heiligen Geistes, du hast in deinem menschlichen Leben auch natürliche Ängste durchgemacht. Du hast vorgesorgt, dich geschützt und warst achtsam. Dein unerschütterliches Vertrauen auf Gott hat dich aber vor Übertreibungen bewahrt und dir immer wieder den Frieden geschenkt. So bist du unter den „sieben Schwertern“ nicht zusammengebrochen, sondern konntest jeden neuen Willen Gottes mit Vertrauen annehmen. Stärke auch unseren Glauben – besonders wenn Ängste uns bedrängen….
3. Der Herr vergoss Blut bei der Geißelung
Schluss mit Jammern – die Leiden können Geschenke werden!
Wir kommen zur Geißelung Jesu. Sie ist das Ergebnis eines ungerechten, falschen Urteils voller Brutalität. Und wie reagiert Jesus? Es ist uns kein Wort davon übermittelt. Jesus leidet – er leidet physisch entsetzlich, er leidet psychisch… Meint ihr, dass ihn diese Ungerechtigkeit, diese erbärmliche Schwachheit des Pilatus gleichgültig lassen konnte? Es tut ihm weh bis in die tiefste Seele – so wie uns jede Ungerechtigkeit und Gemeinheit weh tut. Und Jesus schweigt. Wir haben keine näheren Berichte über das, was Jesus gedacht hat, aber wenn wir uns den ganzen Lebensweg Jesu anschauen, dann darf man wohl sagen, ja innerlich sicher sein: Jesus hat gebetet. Jesus hat für jene gebetet, die ihm das antaten. Jesus hat das physische wie das psychische Leiden aufgeopfert. Es nimmt teil an dem gesamten Erlösungswerk und das ist der Schlüssel für uns.
Wir müssen nicht jammern, was wir dennoch so gerne und so oft tun! Wir müssen auch nicht klagen, wir müssen nicht zurückschlagen… aber wir können beten, wenn uns ein Unrecht geschieht. Wir können beten, wenn wir irgendein physisches, psychisches oder geistliches Leiden zu verkraften haben. Wir können beten! Es geht da nicht um großartige Betrachtungen, aber es genügt manchmal einfach „Ja“ zu sagen, oder „für dich“ oder „zusammen mit dir“… Wir können im Herzen beten, auch wenn wir äußerlich vielleicht stöhnen. Entscheidend ist – und das ändert die ganze Situation – dass wir dieses Unrecht bewusst annehmen und einen Wert daraus machen. Das, was uns herunterzieht, erniedrigen oder zerstören soll, wir können es zu einem Wert, ja zu einer Kostbarkeit umwandeln! Abfall wird plötzlich zu einem Wertstoff. Wir kennen das doch vom Recycling her. Wir können auch ein geistiges Recycling aktivieren. Wir müssen nicht die Welt verunstalten und verschmutzen mit unseren emotionalen Abfällen, die wir irgendwo durch Jammern, Schimpfen, Meckern und Streiten herumstreuen. Das ist geistige Umweltverschmutzung und die ist doch noch viel schlimmer als die physische!
Wenn wir Gott lobpreisen, können wir es tun mit Lobpreisliedern oder mit Zungengebet; wir können es tun mit Tanzen, mit Gesten oder auch mit Schweigen. Ja noch mehr: Wir können unsere innere Freude, aber auch das innere Leid zum Himmel schicken. Das ist der schönste, der mächtigste Lobpreis; auch dann, wenn kein Lied, kein Wort, kein Gesang mehr möglich ist! Aber wir können auch herumschimpfen und herumjammern und das ist nun einmal das Gegenteil vom Lob Gottes. Das ist das Lob des Bösen, des Satans! Wir sprechen doch oft davon, dass gerade das unchristliche Klagen und Jammern wirklich der Lobgesang der Hölle ist.
Oder ein anderes Bild: Wenn wir das Blut Christi verehren wollen, fangen wir es dort auf, wo es heute – bildlich gesprochen – vergossen wird. Es geht also nicht nur um eine Erinnerung an Golgota und die anderen Orte des Blutvergießens, sondern wir betonen immer wieder, dass das Blut Christi geistiger Weise auch heute in den Wunden der Welt fließt. Dort wo Leid ist, wo Wunden sind, dort fließt nicht nur menschliches Blut, sondern auch immer das Blut Christi, der sich am Kreuz eins gemacht hat mit all den Wunden der Menschheit. Die Verehrung des Blutes Christi kann man sich also bildhaft auch so vorstellen: Wir halten den lebendigen Kelch unseres Herzens dorthin, wo das Blut Christi heute auf geistige Weise vergossen wird, wenn in unserer Umgebung gerade jemand leidet. Dann opfern wir es dem Vater im Himmel auf, wir schenken es ihm zur Rettung der verirrten Menschen. Das ist Teilhabe am Erlösungswerk Christi (vgl. Kol 1,24). So können wir alle in gewissem Sinne „Miterlöser“ sein und immer mehr werden. So ist Maria die vollkommenste Mit-Erlöserin geworden.
Was aber machen wir oft? Wir sammeln in unserem Kelch einige Tropfen des Blutes Christi, wir könnten sie zum Himmel schicken bei der nächsten heiligen Messe oder noch schneller durch das Aufopfern des Blutes Christi, wenn wir z. B. unser Gebet wiederholen: „Ewiger Vater, wir opfern dir auf das Blut Jesu Christi …“ Wir könnten sie wie kostbare Perlen zum Himmel schicken, aber der Kelch ist leer. Und warum ist er leer? Weil er durchlöchert worden ist, durchlöchert von unserem Jammern! Unser Jammern macht genau das kaputt, was wir gut gemacht haben durch das Auffangen des Blutes Christi. Da geht das Kostbarste, was wir eigentlich zu bieten haben, was wir dem Himmel schenken könnten, das geht verloren durch unser ungutes, unchristliches Klagen. Unnötige Beschwerden, Nörgeln, Meckern, Jammern… ist wie ein Durchstoßen, ein Durchlöchern des Kelches, in dem wir das Blut Christi nicht nur auffangen, sondern aufopfern könnten. So bleibt der Kelch leer, wenn wir ihn dann doch noch hochheben – dieses Hochheben ist keine wirkliche Verehrung Gottes mehr!
Es geht also vor allem darum, dass wir nicht mit einem durchlöcherten Kelch den Himmel „verspotten“, wenn wir ihn leer hochheben, sondern dass wir wirklich etwas zum Schenken haben. Das aber ist eine große Chance jedes Leidens: Wir können ein Geschenk daraus machen! Das Wort „Opfer“ ist nicht mehr so ohne weiteres verständlich für Menschen unserer Tage, die dieses Wort gewöhnlich anders gebrauchen, weil ja viele Menschen ohne Religion und Religionsgeschichte aufgewachsen sind. Aber das Wort „Geschenk“ verstehen doch noch alle, und vielleicht ist es in manchen Situationen auch für uns geeigneter. Ich kann also aus jedem Hindernis, aus dem, was mich belastet, was mir wehgetan hat und mir noch wehtut… aus all dem kann ich etwas Positives machen, nämlich ein Geschenk, indem ich es annehme und aufopfere und somit verwandle. Darum schlage ich als drittes Schlagwort für unsere angestrebte Schlagfertigkeit vor: Schluss mit Jammern!
Zusammenfassung
Die Geißelung bedeutete ein doppeltes Leid: physisch und psychisch (durch das Unrecht)
„Aufopfern“, das ist Teilnahme am Erlösungsopfer Christi
Wir können jeden Schmerz zu einem Geschenk machen…
Sühneleiden, das bedeutet das Leiden aufopfern für einen anderen; aus dem, was so wertlos, so hinderlich zu sein scheint in unserem Leben, können wir wertvolle Dinge machen wie aus dem Abfall Wertstoffe entstehen können durch Recycling
Darum: Schluss mit Jammern!
Gebet
Mein lieber Vater im Himmel, wie sehr hast du doch mitgelitten, als dein über alles geliebter Sohn die Grausamkeit der Geißelung erduldet hat. Es waren nicht nur die brutalen Schläge, die sich tief in den Leib einbohrten – noch mehr traf dein Vaterherz die Ungerechtigkeit und Herzlosigkeit deiner Geschöpfe, die hier sichtbar wurde…
Jesus, woher hast du die Kraft genommen zu schweigen? – Du hast die Ungerechtigkeit, die dich traf, in Segen verwandelt! Deinen Jüngern hast du in der Bergpredigt anempfohlen, die linke Wange hinzuhalten, wenn man sie auf die rechte schlägt. An der Geißelsäule gibst du selber das Beispiel verzeihender Liebe…
Gott, Heiliger Geist, du selber strömst mit dem Blut aus den Wunden Jesu. Du verkündest aller Welt das Geheimnis des Friedens. Lass uns zusammen mit dir nicht nur Boten des Friedens sein, sondern auch Instrumente der Versöhnung. Lehre uns, allen Fluch in Lobpreis zu verwandeln. Amen.
4. Der Herr vergoss Blut bei der Dornenkrönung
Mehr sagen durch Schweigen – mit dem Adel des Herzens!
Die verschiedenen Stufen auf dem Blut-Christi-Weg, mit ihren besonderen Themen und Betrachtungen, sind eine Schule der Liebe. Wir sind eingeladen, immer neu die Liebe Gottes kennenzulernen, und sie wirklich zu erfassen. Die ganze Welt sehnt sich nach Liebe. Wir alle hungern nach Liebe, aber wir wissen auch, wie unterschiedlich dieses Wort „Liebe“ ge- und missbraucht wird für alles Mögliche, was sich so nennt, aber keine echte, jedenfalls nicht göttliche Liebe ist. In den folgenden Stationen des Blutvergießens, die wir jetzt betrachten, kommen ganz neue Aspekte dieser göttlichen Liebe zum Vorschein.
Wir sind heute an der vierten Station unserer Betrachtungen angekommen, bei der Dornenkrönung. Jesus hatte bei Pilatus gesagt: „Ja, ich bin ein König…“ Das nahm man zum Anlass, ihn gerade deswegen als König zu verspotten. Es gehörte damals zur Aburteilung eines Schwerverbrechers dazu, dass man ihn nicht nur durch die Geißelung körperlich quälte, sondern dass man auch noch seine Ehre zerstörte, bevor man ihn dann hinrichtete. So machte man es auch bei Jesus, dem man zum Spott einen Königsmantel, einen alten roten Fetzen umhängte und als Zepter ein Schilfrohr in die Hand drückte und als Königskrone ein Dornengeflecht auf den Kopf presste, um ihm dann zu „huldigen“. Das war die größte Erniedrigung, Verdemütigung, der Versuch, ihn auch noch psychisch auszulöschen, am Boden zu zertreten.
Aber wie reagiert Jesus? Er schweigt! Wir haben das schon bei der Geißelung bemerkt. Ähnlich hatte Jesus auch geschwiegen, als man ihm vor dem Verhör beim Hohen Rat den Kopf verhüllte und mit Fäusten ins Gesicht schlug: Hey, du bist ja ein Prophet, sag mal, wer dich geschlagen hat…! Er aber schwieg.
Was sagt uns dieses Schweigen? Manchmal höre ich in Gesprächen solche Anschuldigungen: Mein Mann/meine Frau sagt so schlimme Dinge – da ist es wieder zur großen Streiterei zwischen uns gekommen… Meine Gegenfrage ist dann: Warum hast du denn überhaupt geantwortet? Zum Streiten gehören immer zwei. Wenn du nichts gesagt hättest, dann wär´s auch nicht zu einem großen Geschrei gekommen. Wenn einer sich beschwert, dass es wieder Streit gab, dann heißt das, dass er sich selber auch anklagt, denn er konnte sich selber – wieder einmal – nicht beherrschen. Vielleicht hat der Partner schlimme Dinge behauptet, aber solange du nicht darauf reagierst, ist das vor allem sein Problem, auch wenn es weh tut, manche Dinge über sich ergehen zu lassen. Es gibt für dich keine Ausrede dafür, dass es zu einem heftigen Streit gekommen ist, wenn du eine Hälfte zu der Auseinandersetzung beigesteuert hast. Es ist deine Sache, ja Pflicht, in dem Moment den Mund zu halten. Lieber nichts sagen, als schlimme Dinge zu verbreiten oder die ganze Sache eskalieren zu lassen. Es ist gewöhnlich klüger zu schweigen, als größeres Unheil zu riskieren. Wie schlimm ist es doch, wenn manchmal solche Schlammschlachten nicht nur bei Politikern geschlagen werden, sondern in Ehe und Familie oder auch in Gemeinschaften. Wenn wir Christus nachfolgen wollen und das mit dem Blick auf das Blut seiner Dornenkrone, dann müssen wir bereit sein, manchmal unsere Menschenwürde mit Füßen treten zu lassen, anstatt mit der gleichen Waffe zurückzuschlagen.
Aber es gibt noch ein tieferes Schweigen und um dieses Schweigen geht es hier bei der Dornenkrönung. Es zeigt die echte Würde, den wahren Seelen-Adel, eine wirkliche Größe. Gerade im Schweigen unter der Dornenkrone kommt die eigentliche königliche Würde Jesu am deutlichsten zum Ausdruck. Nicht dann, wenn ein stolzer Prahler in prächtigen Gewändern auf dem Thron sitzt, sieht man wirklichen Adel, sondern dann, wenn er in einem solchen Unrecht, in einer solchen Erniedrigung Größe zeigt – Seelengröße, Herzensadel. Dann bedeutet das Schweigen etwas, was viel lauter spricht als irgendwelche Angeberei. Jesus schweigt bei der Dornenkrönung und dieses Schweigen ist beredter und aussagekräftiger als das Blut Abels, das auch zum Himmel um Rache schrie (vgl. Hebr 12,24).
Es ist die Kunst des Christen, dass er in der bewusst angenommenen Erniedrigung seine Größe findet. Das macht uns Christus vor, dass er in der Ent-Ehrung Würde ausstrahlt. „Seht, welch ein Mensch“, sagt schließlich Pilatus, als er Jesus so sieht: entstellt, erniedrigt, verhöhnt mit dem Purpurmantel und der Dornenkrone. „Ecce homo – Seht, welcher Mensch“ (Joh 19,5)! Und still hört man auch dabei: „Seht, welche Würde.“
Mehr sagen durch Schweigen. Das ist das Schlagwort, das wir von hier mitnehmen dürfen, das uns direkt mit der Dornenkrone Jesu verbindet und auch uns stark macht zum Schweigen, wo wir angegriffen werden. Natürlich ist es wichtig, dass wir auch in anderen Situationen lernen zu schweigen z.B. wenn Exerzitien sind – gerade dort und dann, wenn man andere mit unnötigem Gerede stören würde. Es geht hier aber um ein noch tieferes Schweigen, dann, wenn wir im Innersten getroffen sind, wenn uns ein Unrecht angetan wird, wenn wirklich Falschheit vorliegt. Dort die königliche Größe zu bewahren und zu zeigen – das kann uns die Dornenkrönung Jesu vermitteln, das Blut der Dornenkrönung. Und das ist so wichtig in unserem Leben. Wie viel lächerliches Geplänkel wird doch in der Welt losgelassen. Den Mut zu haben, durch das Schweigen mehr zu sagen als durch Worte – das ist die Kunst, das ist die Reifestufe, um die es hier geht.
Wir dürfen uns in diesem Zusammenhang auch an ein Zitat aus dem Alten Testament erinnern, das man im Römerbrief nachlesen kann: „Mein ist die Rache, spricht der Herr“ (Dtn 32,35.41; Röm 12,19). Damit erinnert der heilige Paulus daran, dass wir uns nicht selber verteidigen sollen. Gott hat sich das Endgericht vorbehalten. Wir können es Ihm mit Vertrauen überlassen, es wird Gerechtigkeit geben – nicht unbedingt auf dieser Erde, aber sie kommt! Wir sollten dem Jüngsten Gericht nicht vorgreifen und dadurch nur noch größeres Unheil anstiften. Erzwungenes Recht kann sehr schnell umkippen zum Unrecht. Jedenfalls wollen wir uns üben – durch Ertragen von Unrecht, Spott, Hohn, Sticheleien und blöden Bemerkungen, Flüchen und Verwünschungen. Wir wollen lernen, wirklich Herzensadel zu finden, anzunehmen, walten zu lassen – durch ein Schweigen nicht nur der Waffen, sondern auch der Zunge.
Zusammenfassung
Die Dornenkrone – ein Zeichen von Spott, Hohn, Erniedrigung, Verdemütigung…
Schweigen kann Ausdruck von Klugheit und Weisheit sein
Durch Schweigen kann man oft größeres Unheil verhüten („Schlammschlacht“)
Schweigen kann Adel und Seelengröße zeigen
„Mein ist die Rache, spricht der Herr…“
Reden durch Schweigen – groß sein in der Erniedrigung!
Gebet
Gott-Vater im Himmel, allmächtiger und erhabener Schöpfer von Himmel und Erde, wie groß musst du doch selber sein, wenn uns schon das Weltall mit all seinen Wundern und Geheimnissen so sehr zum Stauen bringt! Noch größer aber leuchtet deine königliche Würde und dein göttlicher Adel auf, wenn wir auf die Dornenkrone deines Sohnes schauen…
Jesus, du zeigst uns als verspotteter König deine wahre Größe. Du baust dein Reich nicht dadurch auf, dass du in Kriegen das Blut von anderen vergießt – du gibst dein eigenes Blut und Leben, um jenen das Reich Gottes zu bringen, die die wahre Liebe in Freiheit annehmen…
Heiliger Geist, du Gabe der Ewigen Liebe, lass uns erkennen, dass nur der wirklich groß wird, der sich klein machen kann, dass nur der Frieden bringt, der Unrecht erträgt, und dass nur der Leben spendet, der bereit ist, sein Leben hinzugeben. Sei der Adel unserer Herzen und die Freude, die aus unseren Wunden strömt…
5. Der Herr vergoss Blut auf dem Kreuzweg
Auf und Weiter – zur Rettung der Seelen!
Wir sind inzwischen auf dem Kreuzweg angekommen und wir sehen, wie Jesus nicht nur einmal fällt, sondern immer wieder. Aber er bleibt nicht einfach liegen! Dieses Fallen unter dem Kreuz, es ist jedes Mal eine neue Verwundung. Neues Blut fließt, alte Wunden reißen auf, neue kommen hinzu. Jesus schaut aber nicht auf die Wunden, sondern auf das Ziel. Auf und weiter! Er hat das Ziel vor Augen und deswegen bleibt er nicht liegen. Er hat das Ziel vor Augen und deswegen ist auch die Last nicht zu schwer. Er muss sich helfen lassen, fällt wieder, aber auch dieser Fall ist kein Grund aufzugeben. Auf und weiter! Wir werden auf unserem Lebensweg immer wieder einmal unsere Schwäche, unser Stolpern, unsere Kraftlosigkeit zu spüren bekommen. Aber gerade dann soll uns dieses Schlagwort weiterhelfen. Auf und weiter – wir sind noch nicht am Ziel!
Das Herumreißen an den Stricken ist es nicht, was Jesus wirklich aufhilft. Das Blut kennzeichnet immer mehr auf dem Weg die Steine und die Löcher, die ihm Knie und Ellbogen aufschlagen. Wenn Jesus die Kraft gefunden hat, trotz mehrmaligen Hinfallens wieder aufzustehen, dann ist es sicherlich das Ziel, das ihm der Vater anvertraut hat, das Ziel, das er im Herzen trägt – unsere Rettung! Wir sind es, die ihn wieder aufstehen lassen, ihn doch noch einmal mobilisierten, um das „Unmögliche“ doch möglich zu machen. Auf und weiter! Der Kreuzweg unserer Geistlichen Gemeinschaft trägt den Titel: Wer nicht aufgibt, der fängt erst richtig an. Nicht aufgeben, niemals aufgeben, egal was kommt! Der Blick auf den Vater im Himmel, der Blick auf die Rettung jener, die ohne dieses Opfer verloren gehen, das kann uns über uns selber hinauswachsen lassen. Aber für wen? Für wen mache ich das alles? Für wen halte ich das aus, für wen lasse ich mir das gefallen? Für wen mache ich doch weiter? Viele Menschen scheitern in gewissen Prüfungen gerade dadurch, dass sie sich sagen: Das ist ja nun doch zu viel, das kann man sich nicht gefallen lassen! Und dann gibt man auf. Jesus aber gibt nicht auf. Auf und weiter! Nicht liegen bleiben!
Aber zu diesem Auf und weiter gehört noch etwas, was gar nicht so selbstverständlich ist: Man muss sich manchmal aufhelfen lassen. Und Jesus lässt sich helfen! Auch das hat er in seiner Demut noch auf sich genommen. Es ist fast unglaublich, was da alles zu seiner Erniedrigung, der Selbstentäußerung, geschieht. Jesus macht nicht nur die Angst am Ölberg durch – und auf dem Kreuzweg muss er sich auch noch helfen lassen! Wir sehen da vor allen Dingen drei Helfer, die gleichzeitig auch drei verschiedene Arten von Hilfe kennzeichnen. Da ist einmal Simon von Zyrene, der zunächst gar nicht begeistert ist, dass er gezwungen wird, einen Sklavendienst zu tun, wozu die Römer als Besatzungsmacht allerdings ein Recht hatten. Er kommt vom Feld heim, ist müde und muss noch einem „Schwerverbrecher“ helfen, das Marterwerkzeug an den Platz der Hinrichtung zu schleppen. Aber Jesus nimmt sogar eine solche Hilfe an. Manchmal lassen wir uns zwar von gutgesinnten Leuten helfen, die es freundlich tun, aber wenn einer mit einer solchen Miene kommt… Jesus hat sogar diese Hilfe angenommen. Mystische Quellen weisen darauf hin, dass Simon sehr bald verstanden hat, dass es bei Jesus nicht um einen Verbrecher ging und dass er unterwegs eine große Gnade empfangen hat. Wir wissen nicht, wie lange er mitgehen konnte, was dazu geführt hat, dass er plötzlich nicht mehr da ist. Jedenfalls hat er Jesus entlastet. Und auch wir können Jesus helfen, das Kreuz zu tragen – besonders in unseren schwierigen Mitmenschen. Wir können ein Simon von Zyrene sein, auch wenn wir anfänglich gar keine Lust haben und uns zunächst so manche faule Ausrede in den Sinn kommt. Wenn wir an Jesus denken, der dieses Kreuz trägt, dann können wir uns einen Ruck geben…
Mehr geholfen hat sicherlich Veronika, die aus ihrem Mitgefühl heraus auch den Mut aufbrachte, sich durch die Menschenmenge durchzuschlagen bis hin zu Jesus. Sie konnte keine Last abnehmen. Aber ihr Mitleiden, ihr Mut und ihre Zartheit, ihre liebevolle Geste… das war doch eine ganz große Hilfe! Deswegen ist zwar vom Kreuz kein Stück abgesägt worden, aber in der Seele Jesu, der ein sehr zartfühlender Mensch war, hat diese Geste doch sehr viel bedeutet. Manchmal genügt sogar eine solche Geste, um jemandem wirklich neue Kraft zu schenken.
Und schließlich Maria, die Mutter. Sie konnte eigentlich gar nichts tun, nicht einmal eine solche Veronika-Geste war ihr möglich. Aber sie ist da und das ist das Entscheidende – ihr Dasein bis hin unter das Kreuz! Sie urteilt nicht, sie macht Jesus keinen Vorwurf wie z. B.: „Da sollte ich die Mutter des Messias werden und jetzt muss das so zu Ende gehen, in der allergrößten Schande! Was hast du mir da angetan?!“ So könnten wir uns vielleicht eine allzu menschliche Antwort vorstellen. Jammern wir nicht manchmal so ähnlich? Was hast du mir da angetan? Ich habe mein ganzes Leben für dich aufs Spiel gesetzt, aufgeopfert… und jetzt solche Schwierigkeiten, solche Erniedrigung, solche Lieblosigkeit! Maria aber urteilt nicht so. Sie glaubt und vertraut weiter. Sie ist da und liebt weiter. Das ist das Entscheidende. Das ist die entscheidende, die größte Hilfe. Wenn auch wir einmal so richtig eingetaucht werden in Verachtung, in Einbuße von gutem Ruf und Ansehen… wie gut tut es dann doch, wenn sich jemand findet, der doch noch an einen glaubt, der nicht den Stab bricht, der doch noch etwas Gutes an uns sieht. Äußerlich gesehen ist Jesus in der totalen Katastrophe angekommen, in der Vernichtung, nicht nur seines Körpers, sondern auch seiner Psyche, seines guten Rufes. Aber Maria glaubt doch noch an ihn! Jesus den vollen Glauben bis zum Äußersten zu schenken, auch wenn anscheinend alles dagegenspricht – auch das heißt Maria sein! So können wir Jesus begleiten und ihm Kraft geben in seinem Sterben.
Das, was wir brauchen, wenn wir Christus wirklich nachfolgen wollen, ist Demut, die sich klein machen kann, ist Geduld, die nicht aufgibt, ist Ausdauer bis zum letzten Augenblick. Dieses „Auf und weiter!“ klingt, so wie alle unsere Schlagworte, zunächst einmal recht oberflächlich. Das kann man sich auch bei einem Wettlauf zurufen, wenn jemand ausrutscht. Aber es ist hier ganz tief gemeint. Es geht um den letzten Kampf aller Kämpfe. Auf und weiter – auch wenn ich mit einem großen Kreuz zu kämpfen habe. Ob das nun eine Abhängigkeit ist oder eine Krise in der Ehe oder ein Konflikt im Orden oder ein gesundheitliches Desaster: Auf und weiter! Ganz egal, was ich alles schon durchgemacht habe. Ganz egal, mit welchem Charakter ich mich herumplagen muss – auch bei mir selber. Auf und weiter – denn Gott kennt mich, Gott liebt mich, Gott wartet auf mich… und Maria ist bei mir!
Zusammenfassung
Wer nicht aufgibt, der fängt erst richtig an!
Das Ziel gibt die Kraft: „Für wen?“
Nicht liegenbleiben, sondern sich helfen lassen
Simon: Die Lasten teilen…
Veronika: Trost annehmen…
Maria: Liebendes Dasein mit Vertrauen ohne Urteil…
Aufstehen und weitergehen – die Macht der Liebe!
Gebet
Guter Vater im Himmel, DU bist der Ursprung, der Sinn, die Schönheit, die Kraft und das Ziel meines Lebens. Niemand und nichts anderes kann dich ersetzen. Wenn auch mein Leben manchmal ein Kreuzweg ist – ich weiß, für wen ich lebe, wer mich liebt, wer auf mich wartet! Danke, lieber Vater, dass ich das schon hier auf der Erde so klar erkennen darf. Das gibt mir immer wieder Mut zum Weitergehen…
Jesus, du bist zu uns auf die Erde gekommen, damit wir in unseren Schwierigkeiten nicht verzagen. Du bist uns vorausgegangen und gehst deinen Kreuzweg auch immer wieder mit uns zusammen, damit wir in deinen Blutspuren die wahre Liebe erkennen, die uns die Kraft gibt, niemals aufzugeben…
Gott, Heiliger Geist, wir danken für dein mächtiges Wirken und dein sanftes Wehen. Entzünde in unseren Herzen das Feuer göttlicher Liebe, damit wir auf unserem Kreuzweg zum Licht werden für all jene, die nach der Wahrheit suchen…
6. Der Herr vergoss Blut bei der Kreuzigung
Vater, in deine Hände – die Wunden werden Perlen!
Rückblick:
Wir haben am ersten Tag der Exerzitien unseren Bund mit Gott erneuert und uns bewusst gemacht: Wir sind Verbündete. (Ich bin nicht allein.) Unser Bundespartner ist niemand anderes als Gott selber. Er aber ist die Liebe, die uns dazu einlädt, selber zur Liebe zu werden.
Dann sind wir mit Jesus in den Ölgarten gegangen und haben gelernt, die Angst zu überwinden – sie zu besiegen und so den Frieden durch den Willen Gottes im gegenwärtigen Augenblick zu finden. (Keine Angst!)
Danach gingen wir mit Jesus an die Geißelsäule und haben gesehen, wie er dort ungerecht verurteilt, jetzt grausam zerfleischt wird. Aber Jesus klagt nicht! Still opfert er diese Schmerzen auf – die physischen, wie die psychischen Leiden. Das bedeutet für uns, dass wir für jedes Leid in unserem Leben einen Sinn gefunden haben: Wir können es aufopfern und so wird das Leiden wertvoll! Wir brauchen nicht mehr zu klagen, ganz gleich, was passiert, was Gott zulässt, wir sind motiviert nicht passiv zu klagen oder gar zu jammern, sondern etwas zu tun, aktiv zu werden – so wie Jesus an der Geißelsäule. (Schluss mit dem Jammern!) Ob es nun um eine physische Beschwernis geht, eine Krankheit, ein Leid, ein Unrecht oder eine geistige Bedrängnis – wir können daraus „Kapital schlagen“. Wir können Werte schaffen aus dem, was zunächst einmal wie ein großer Unwert aussieht. Darum brauchen wir nicht mehr zu jammern, zu klagen, herumzunörgeln und uns ständig zu beschweren, wobei wir dann gewöhnlich auch noch häufig urteilen.
Dann sind wir in unseren Betrachtungen mitgegangen zur Dornenkrönung und haben gesehen, wie Jesus mit königlicher Würde diese Schmach, diese Schande und Erniedrigung annimmt. Wie er zeigt, dass man durch Schweigen oft mehr sagen kann, als durch Kommentare oder Diskussionen ums Recht haben. Diese königliche Würde, diese edle Gesinnung, dieser Herzensadel, den finden wir besonders an dieser Stelle ausgedrückt und als Schlagwort fassen wir zusammen: Mehr sagen durch Schweigen – um uns diesem Herzensadel zu nähern.
Schließlich haben wir uns mit dem Schlachtruf Auf und weiter! auf den Kreuzweg begeben. Dieses Motto hilft uns, auf das Ziel zu schauen und uns helfen zu lassen. So finden wir die Schlagkraft gegen alle Widerstände und Unterdrückungen.
Und jetzt folgt die sechste Station: Vater, in deine Hände…
Nun sind wir auf Golgota angekommen und dort beobachten wir das Unfassbare. Man reißt zunächst Jesus die Kleider vom Leib – wiederum zahllos blutende Wunden. Dann nagelt man ihn bei lebendigem Leibe an den Kreuzesbalken an… Und was sagt Jesus? „Vater, vergib ihnen, sie wissen nicht, was sie tun!“ Das ist der Kommentar zu diesem neuen Blutstrom. In dem Moment war, trotz aller Erschöpfung des Leibes, die Seele Jesu noch ganz wach und hell. Dann aber – von Stunde zu Stunde stärker – wird es in ihm immer dunkler.
Wir nähern uns mit Maria und Johannes. Auch wir verstehen nichts und Traurigkeit hüllt auch uns ein. Aber wir sind da und erleben, wie Jesus für seine Mutter sorgt, für seine Kirche, für uns alle: „Siehe da, dein Sohn – siehe da, deine Mutter!“ Die Kräfte verrinnen mit dem Blut aus so vielen Wunden. Alles tut weh – an Leib, Seele und Geist. Jesus erleidet die Dunkelheit der seelischen Nacht – bis hin zu dem Schrei: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Es ist die Nacht und Finsternis der Sünde, die Jesus erleidend besiegt. So vollendet er sein Sühneopfer und kündet mit dem Triumph des Vertrauens bereits den Ostersieg an: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist!“ Das ist die Antwort auf all das, was Jesus durchgemacht hat, die Antwort auf die Nacht der Seele, der Höhepunkt seiner Leidensgeschichte, seiner erlösenden Liebe. Hier kommt das Leitmotiv des ganzen Lebens Jesu zum Ausdruck, die irdische Fortsetzung seiner inner-trinitarischen Hingabe, die Antwort auf den ewigen Urquell göttlicher Liebe: „Vater, in deine Hände…“
Jesus ist diesen Weg der erlösenden Liebe nicht nur stellvertretend für uns gegangen, um das gebührende Sühneopfer für die Sünden der Menschheit darzubringen. Seine Hingabe ist auch gleichzeitig die Einladung, an seiner restlosen Hingabe an den VATER teilzunehmen. In der treuen und grenzenlosen Anteilnahme an der Hingabe Jesu vollendet sich die Jüngerschaft der Getauften. Darum nun als sechstes Leitwort zur Ermutigung auf unserem Lebensweg: Vater, in deine Hände!
Werfen wir noch einen Blick auf die Mutter unter dem Kreuz: Maria hat ihr ganzes Leben lang geübt zu „verlieren“ – hinzugeben. Von Anfang an muss sie ihr Kind verlieren, in die Hände Gottes abgeben. Das Leben einer jeden Mutter ist Hingabe. Und ihre große Kunst besteht darin, bewusst verlieren zu können. Was im Leben der Frau besonders sichtbar wird, gilt aber genauso für den Mann. Auch seine Liebe und sein Dienst ist ein Mühen und Kämpfen für andere. Bei Maria kommt das Verlieren besonders stark und beispielhaft zum Ausdruck. Sie „verliert“ ihren Sohn, sie verliert alles, wofür sie gelebt hat. Aber es ist nicht ein negativer Verlust, ein „Weniger“, sondern es ist ein Geben, es ist eine Hingabe für etwas Größeres.
Jesus gibt sich selbst dem Vater hin – für uns alle. Maria gibt ihren Sohn und wird noch einmal Mutter – Mutter der Kirche, Mutter von uns allen. Maria verliert „Gott für Gott“. Das klingt durchaus paradox, aber man kann es nicht adäquat in unsere irdische Sprache fassen, was da auf Golgota geschah. Aber eines wird doch deutlich: Das Wesen der Erlösung ist Hingabe, denn Gott ist die Liebe. Und durch Hingabe wird auch unsere Liebe vollendet! Gott, der Dreifaltig-Eine – er ist Hingabe. Durch ihn und für ihn sind wir geschaffen – aus Liebe, durch Liebe, für die Liebe. Indem er den Menschen geschaffen hat, hat er sich selber wiederum hingegeben. Im Erlösungswerk kommt dieser Hingabeprozess zu einem neuen Höhepunkt. Und das ist nur ein kleiner Schimmer von dem, was sich da noch alles verbirgt, was wir noch nicht erkennen und vorläufig nicht erkennen müssen. Wir lassen uns überraschen. Wenn aber Gott die Liebe ist und wir nach seinem Bild und Gleichnis geschaffen sind, dann muss der innerste Kern unseres Daseins Hingabe sein. Das kann man in besonderer Weise von einer Mutter lernen – besonders von der Mutter aller Mütter – eine Aktualität für alle Menschen!
Wenn wir beginnen, aus der Grundhaltung der Hingabe zu leben, dann kann uns nichts mehr genommen werden. Wir sind erlöst und frei, weil wir uns selber schon ganz in die Hände Gottes gegeben haben und IHN schalten und walten lassen. Wir können nur noch beschenkt werden – wie ein Kind im gegenwärtigen Augenblick. Darum immer wieder: Vater, in deine Hände!
Zusammenfassung
Vater, in deine Hände – Liebe bis zur Hingabe!
Liebe vollendet sich in der Hingabe (nicht nur etwas, sondern sich selbst geben)
Maria – vollendete Hingabe, vollendeter Mensch
Hingabe ohne Bedingungen, ohne Vorbehalt…
Fruchtbarkeit der Hingabe (vgl. Ehe und Familie)
Heilige Gelassenheit
Gebet
Lieber Vater im Himmel, du bist die ewige, dreifaltige Liebe, und du hast die Menschen nach deinem Bild und Gleichnis geschaffen. Durch das Unglück des Sündenfalls sind wir aus der Freundschaft mit dir herausgefallen, aber deine erlösende Liebe gibt uns die Chance der Umkehr. Du hast uns deinen ewigen Sohn als Retter gesandt. Durch seine Hingabe am Kreuz hat er nicht nur unsere Sündenschuld auf sich genommen – er hat uns auch gezeigt, wie wir fähig werden, an Gottes Liebe teilzunehmen…
Jesus, du unser Erlöser, Meister und Freund, du hast uns in allen Lebenslagen gezeigt, wie schön und vielgestaltig echte Liebe ist. In besonderer Weise offenbartest du dein göttliches Herz, als du für deine Peiniger gebetet hast: Vater vergib ihnen – sie wissen nicht, was sie tun. Lass uns durch Erbarmen und Vergebung dir immer ähnlicher werden…
Heiliger Geist, durchdringe, reinige und heilige unsere Liebesfähigkeit! Mach uns bereit zur Ganzhingabe unseres Lebens, damit wir frei werden von uns selber und beginnen, wirklich zu leben und zu lieben. Schenke uns die Bereitschaft, für Gott alles zu verlieren, wie Maria unter dem Kreuz, damit wir so wie sie immer deutlicher an der Vater- und Mutterschaft Gottes teilnehmen zu seiner Verherrlichung durch das Heil der Welt…
7. Der Herr vergoss Blut und Wasser bei der Öffnung seiner Seite
Für alle – offene Türen und Herzen!
Jetzt kommen wir zu der siebten und letzten Station, die Öffnung der Seite Jesu mit der Lanze. Jesus lebt schon nicht mehr physisch, er ist bereits gestorben. Man öffnet sein Herz, um sicher zu sein, dass er schon tot ist, und es strömen Blut und Wasser hervor. Jesus gibt auch noch den letzten Tropfen seines Herzblutes her und macht so – bildlich gesprochen – Platz für alle Menschen. Er hat sein Blut für uns alle vergossen und uns gleichsam die Eintrittskarte für den Himmel erworben. Wir müssen sie nur noch durch ein entsprechendes Leben einlösen. Jeder Mensch ist erlöst, ob er es weiß oder nicht, ob er es schätzt oder nicht, ob er danach lebt oder nicht. Wir können diese Tatsache nicht mehr ungeschehen machen!
An diesen Punkt muss ich immer an unseren großen Papst Johannes Paul II. denken, den Heiligen, der am Anfang seines Pontifikats in Brasilien in einem Hochsicherheitsgefängnis zu Schwerverbrechern sprach. Er sagte sinngemäß etwa Folgendes: In euch sehe ich Menschen, die von Gott geliebt sind und die durch das Kostbare Blut für ein neues Leben erlöst wurden. Diese Papstansprache war für mich damals wie ein heilsamer Schock, der mir eine neue Sicht auf die Welt gab, auf alle Menschen: Egal auf welchem Irrweg du dich befindest – du hast die Würde des Blutes Christi in dir! Das kann dir niemand mehr nehmen. Das kannst du nicht einmal selber zerstören. Auch wenn du selber das nicht zu schätzen verstehst – ich bete in dir die am Kreuz vergossene Liebe an, denn sie ist in dir gegenwärtig! Und um dieser Würde willen nehme ich dich an, so wie du bist. Denn das Blut Christi hat dich und dein Leben mehr verändert, als deine Verirrungen und Sünden zerstören können. Das Blut Christi ist stärker, auch in dieser Hinsicht. Die Tatsache, dass du durch das Blut Christi erlöst bist, ist wichtiger, ist stärker, ist entscheidender als all das, was du schlecht gemacht hast. Diese Sicht gibt uns eine neue Offenheit, Hochachtung, ja Liebe zu uns selber und zu allen Menschen, auch wenn wir manchmal ratlos dastehen und nicht wissen, wie wir jemandem noch weiterhelfen können.
Darum schlage ich im Hinblick auf das geöffnete Herz Jesu als „Schlagwort“ vor: Ein Platz für alle! Dieser Leitgedanke kann uns immer wieder helfen, gewisse Barrieren oder auch Abhängigkeiten zu überwinden, die wir durch natürliche Sympathien oder Antipathien in uns vorfinden. Einige Leute sind uns nun einmal unsympathisch und um sie machen wir gerne einen Bogen. Wir versuchen sie abzuwimmeln, haben keine Zeit für sie. Wir sind voreingenommen und haben sofort Gründe, mit denen wir meinen gerechtfertigt zu sein, um sie abzuschieben oder gar zu verurteilen. Gerade dann kann der Gedanke, dass Jesus für alle sein Blut und Leben am Kreuz vergossen hat, unser Verhalten wirklich revolutionieren. Das bedeutet nicht, dass man unbedingt seinen Urlaub mit jemandem planen muss, bei dem man von vornherein weiß: Das wird eine besondere Anstrengung! Urlaub soll ja nicht unbedingt der größte Stress des Jahres werden! Aber so, im normalen Alltag, darf man Anstrengungen auch nicht mit allen Mitteln vermeiden. Wir brauchen sogar gewisse Anstrengungen, damit wir weder körperlich noch charakterlich verweichlichen.
Aus dem geöffneten Herzen Jesu strömten Blut und Wasser. In den Augen jener Soldaten, die für die Hinrichtung Jesu verantwortlich waren, war es das sichere Zeichen des physischen Todes. Die Kirchenväter haben dieses Geschehen aber im Licht der Auferstehung tiefer gesehen und symbolisch gedeutet. Sie sahen im Wasser das Sakrament der Taufe und im Blut das Sakrament der Eucharistie, also jene Sakramente, die uns mit Christus vereinigen. Bildlich gesprochen können wir sagen, dass wir durch diese Sakramente sozusagen „eingeladen sind in das Herz Jesu“, wo alle Menschen einen Platz haben.
Das aber ist wiederum eine Einladung an uns, dass wir – eins-geworden mit Jesus – auch unsere Herzen für alle anderen Menschen öffnen, ja durchbohren lassen. Wer sich durch die Liebe des auferstandenen Heilandes dazu befähigen lässt, wird gleichsam ein Vorzimmer für das Herz Jesu. Denn nachdem wir mit Christus gestorben und auferstanden sind, will er durch unsere Herzen alle Menschen erreichen und mit seinem Erbarmen beschenken. Darum sind Blut und Wasser, die aus dem geöffneten Herzen Jesu hervorströmen, auch das Zeichen des Barmherzigen Heilandes.
Ein Platz für alle! Dieses Schlagwort erinnert uns an das unerschöpfliche Erbarmen Gottes. Es gibt uns die Kraft, immer mehr lebendige Quellen der erlösenden Liebe zu werden, damit das Blut des auferstandenen Erlösers, durch uns rettend in alle Welt strömt.
Zusammenfassung
Geöffnetes Herz – bis zum letzten Tropfen
Erlösung für alle (bedingungslos, unwiderruflich, unbegrenzt…)
„Inklusiv“ – auch für dich hat Jesus sein Blut vergossen…
Offenheit, Ehrfurcht, Liebe… Sich durchbohren lassen…
Berufen und gesandt – Liebe für alle!
Jesu Blut macht alles gut!
Gebet
Barmherziger Vater, die Sehnsucht nach der Heimkehr deiner verirrten Kinder lädt alle ein in das Herz deines vielgeliebten Sohnes. Jetzt ist es unsere Aufgabe, in voller Hochachtung vor der Freiheit eines jeden Menschen, von deiner unbesiegbaren Liebe Zeugnis zu geben – auch um den Preis unserer durchbohrten Herzen …
Jesus, du unser Meister, lass uns dein hochheiliges Blut in jedem Menschen sehen und verehren – besonders dann, wenn unsere menschliche Natur sich durch eine schwierige Situation überfordert fühlt. Lass uns nicht vergessen, wieviel Geduld du mit den unbequemen und lästigen Leuten hattest und hast – auch mit uns…
Gott, Heiliger Geist, du wurdest aus dem durchbohrten Herzen Jesu über die ganze Welt ausgegossen. Lass uns deine Instrumente sein zur Erneuerung der Kirche durch den Triumph des Unbefleckten Herzens Mariens, deiner so geliebten Braut…